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Externe Schulabschlüsse – Begleitung von Kern-Bildung

In der aktuellen Folge unseres Podcasts geht es um einen ganz besonderen Weg zu Schulabschlüssen: die externen Prüfungen. Ob Hauptschulabschluss, Realschulabschluss oder Abitur – wir erklären, wie man diese Abschlüsse außerhalb des klassischen Schulsystems erreichen kann.

Gemeinsam mit Britta und Jacqueline spreche ich über:

  • die Voraussetzungen und Unterschiede in den Bundesländern,
  • unsere individuelle Vorbereitung und Begleitung durch Kern-Bildung,
  • Herausforderungen wie Prüfungsangst, Lernblockaden oder Motivationstiefs – und wie wir damit umgehen,
  • und unsere Erfahrungen mit über 80 erfolgreich begleiteten Prüflingen.
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Kurs 1

Beschreibung des Kurses

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Der nachfolgende Button dient nur als Beispiel.

Bildung zu Hause – für Anfänger Teil 4

Von Karen Kern

Perspektivwechsel in der Bildung

Für eine veränderte Sichtweise in Bezug auf die Bildung, braucht es einen Perspektivenwechsel, so dass Eltern in allen Bereichen wahrnehmen können, was und wie ihre Kinder lernen. Den Fokus in der Bildung vor allem auf die schulischen Fächer zu richten, ist so, wie wenn ich durch ein Fernglas sehe. Dann nehme ich nur einen kleinen Ausschnitt wahr, diesen dann allerdings in großer Schärfe. Wichtig ist, entweder das „Fernglas“ auch auf andere Bereiche zu richten oder es „ganz weg zu legen“, um den Blick zu weiten. Dann wird es möglich, Lerngelegenheiten in Situation und Bereichen zu erkennen, an die vorher nicht gedacht wurde. Fällt Eltern dies schwer, hilft hierzu auch ein Austausch mit den Bildungsbetreuer*innen. Es kann auch helfen, mit anderen Eltern oder jugendlichen Freilerner*innen zu sprechen, die diese Situation schon hinter sich haben. Die Bildungsbetreuer*innen können dabei behilflich sein, den Blick auf die verschiedenen Lernsituationen im Alltag zu richten. In meinen Gesprächen zu Anfang der Betreuung höre ich regelmäßig, dass Sohn oder Tochter nur vor dem Computer sitzt und spielt, wenn ich dann nachfrage, stellt sich häufig heraus, dass z.B. die Tochter ganz viele Romane liest und besonderes Interesse fürs Ballett hat, oder der Sohn sich für die Landwirtschaft interessiert und regelmäßig beim Bauern nebenan mithilft und sich über alle schweren Fahrzeuge kundig macht.

Zusätzlich ist das Dokumentieren des Bildungsprozesses, der Themen und Fähigkeiten, sehr hilfreich.

Eine Dokumentation über einen längeren Zeitraum zeigt in der Regel eine Fülle an Bildungsaktivitäten auf, die im Alltag stattfinden. In unserer eigenen Freilernerzeit mit unseren Kindern haben wir nur ungern dokumentiert, aber es doch wenigstens über einen Zeitraum von einem halben Jahr durchgehalten. Mittlerweile bereue ich, dass wir das nicht länger gemacht haben. Wir haben nur einmal pro Woche meist nur wenige Stichwörter aufgeschrieben, aber über den Zeitraum eines halben Jahres hinweg kam da eine große Anzahl unterschiedlichster Aktivitäten, Interessen und Tätigkeiten zusammen. Mein mittlerer Sohn hatte diese Aktivitätenliste bei einem Gespräch mit der Oberschulamtspräsidentin dabei und diese war von dieser Liste schwer beeindruckt. Einige Zeit später haben wir allerdings dann hiermit auch noch negative Erfahrungen gemacht. Dieser Sohn hatte in dem erwähnten Gespräch einen Vertrag geschlossen, der ihm ermöglichte, zu Hause zu lernen. Eine Bedingung war, dass er sich einmal im Jahr beim Schulamt überprüfen lässt. Der zuständige Beamte konnte leider mit der umfangreichen Liste nichts anfangen. Er hat während des Termins nur rumgejammert, dass mein Sohn keine durchgearbeiteten Hefte mitgebracht hat. Er hat allerdings damit nur seine eigene Unflexibilität gezeigt. Auf der Liste waren ausreichend Themen, die auch Lehrkräfte für ein „Prüfungsgespräch“ hätten nutzen können.

Austausch mit anderen Freilerner*innen

Sorgen und Bedenken können auch im Gespräch und Austausch mit anderen Eltern abgebaut werden. Bei Freilernertreffen können gerade Berichte von Eltern älterer Freilerner*innen über den Umgang mit den Anfangsschwierigkeiten hilfreich sein. Zu hören, dass der Sohn von Familie G. ebenfalls drei Jahre lang erst nachmittags aus dem Bett kam und dafür die Nacht zum Tag gemacht hat, kann einen dazu veranlassen, erstmal innerlich aufzuseufzen: „Oh je, so lange müssen wir das aushalten!“ Dann aber zu hören, dass gerade dieser Sohn nun keinerlei Problem hat, morgens in aller Frühe aus den Federn zu kommen, weil er ein Praktikum (oder eine Ausbildung, o.a.) macht, sorgt für Erleichterung. Diese jungen Freilerner*innen bei Freilernertreffen zu erleben, ihr Auftreten, ihre offene Art und Weise und ihr Umgang mit anderen, mit Erwachsenen, Gleichaltrigen und Jüngeren, kann das sein, was einen am allermeisten von Sorgen und Ängsten befreit.

Bildung zu Hause – für Anfänger Teil 3

von Karen Kern

Deschooling

Kinder und Jugendliche, die durch die Schule stark blockiert oder sogar traumatisiert sind, brauchen eine mehr oder weniger lange Zeit der Entschulung (bzw. des Deschooling). Egal welche Vorstellung Eltern von der Art der Bildung haben, sei dies strukturiertes Lernen oder selbstbestimmte und selbstorganisierte Bildung, kann die erste Phase, nachdem die Kinder und Jugendlichen zu Hause geblieben sind, als ganz schön anstrengend erlebt werden. In dieser Zeit ist es normal, dass der Bildungsalltag nicht dem Bild entspricht, welches sich Eltern davon gemacht haben. Sehen sie dann einen jungen Menschen, der nicht weiß, was er will, dem langweilig ist oder der sich exzessiv mit Computerspielen beschäftigt, kann dies Angst machen. In dieser Phase ist es in meinen Augen sehr wichtig, dem Kind oder dem Jugendlichen Vertrauen entgegenzubringen, das Vertrauen darin, dass sie wieder zu sich und dann auch ihren Weg finden.

Wird aufgrund von elterlicher Angst ständig Druck gemacht, dass die jungen Menschen jetzt doch endlich anfangen sollen zu lernen, kann dies rasch zum Beziehungskiller werden, Auseinandersetzungen folgen und die gewünschten Veränderungen können erstmal in weite Ferne rücken.

Herausforderung für Eltern

Selbstbestimmte und selbstorganisierte Bildung verträgt sich nicht mit einem hierarchischen Familiengefüge, in dem die Eltern die allwissende, regel- und tonangebende Rolle einnehmen. Lassen Eltern in einem Bereich ein großes Maß an Selbstbestimmung zu, dann wird dies auch in anderen Bereichen von den jungen Menschen eingefordert. Viele Eltern, die sich mit den Themen „Freilernen“ und „selbstbestimmte und selbstorganisierte Bildung“ schon beschäftigt haben, haben sich auch mit einer anderen Art des Umgangs mit ihren Kindern beschäftigt. Dennoch können auch bei diesen im neuen Bildungsalltag zu Hause wieder herausfordernde Situationen entstehen. Auch bei Eltern, die sich erstmal vor allem Homeschooling vorstellen können, stellen sich herausfordernde Situationen ein, gerade wenn die Kinder sich gegen „Unterricht“ stellen und bei schulischen Arbeitsmaterialien streiken. Wenn sie dann einen offeneren Weg gehen wollen, dann kann es sein, dass auch im Beziehungsbereich Änderungen notwendig werden, hin zu einem gleichberechtigteren Miteinander.

Auch wenn sich die Einstellung und das Verhalten gegenüber jungen Menschen in unserer Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten geändert hat, bestimmen häufig noch tradierte gesellschaftliche Sichtweisen den Erziehungs- und Bildungsbereich, viele Einstellungen werden unhinterfragt übernommen und weitergegeben. Tradierte Sichtweisen zu hinterfragen und dann daraufhin sein Verhalten zu ändern, kann erstmal zu großer Unsicherheit führen, vor allem, wenn Eltern eher autoritär mit ihren Kindern umgegangen sind. Selbstbestimmte und selbstorganisierte Bildung ist meines Erachtens auf dieser Grundlage nicht möglich. Daher kann gleichzeitig zur Unsicherheit in der Bildung auch eine Unsicherheit auf der Beziehungsebene kommen.

Um hier einen Übergang gut zu meistern, braucht es die Fähigkeiten Akzeptieren, Wahrnehmen, Zuhören und Vertrauen. Falls Eltern sich in immer wieder gleichen Auseinandersetzungen finden, kann auch eine Beschäftigung mit gewaltfreier Kommunikation mit Kindern sinnvoll sein.

Akzeptieren

Zum Akzeptieren gehört, zu erkennen, dass es Zeit braucht, bis die Tochter oder der Sohn in sein neues Leben hineingefunden hat. Die meisten von uns „Erwachsenen“ haben selbst schon Brüche in ihrem Leben durchlebt und wissen aus eigener Erfahrung, dass bei einem raschen Wechsel von einer Lebenssituation in eine neue Situation Anfangsschwierigkeiten bewältigt werden müssen. Wenn wir uns bewusst machen, welch grundlegende Änderung beim Wechsel von einer überwiegend fremdbestimmten Bildungssituation hin zum Übernehmen der Verantwortung für die eigene Bildung stattfindet, kann es nicht verwundern, wenn es (hin und wieder) Probleme gibt. Ich würde es mit der Situation eines Erwachsenen vergleichen, der sich nach einer Zeit im Angestelltenverhältnis selbstständig macht. Nachdem jemand bisher zugewiesene Aufgaben abgearbeitet hat, ist er plötzlich für alle Bereiche selbst verantwortlich, muss selbstständig strukturieren und organisieren. Die eigene Bildung für sich selbst wieder zu erobern, kann eine ähnliche Herausforderung sein.

Wahrnehmen

Zum Wahrnehmen gehört, Verletzungen zu erkennen und den jungen Menschen dabei zu begleiten, diese zu überwinden. „Zeit heilt alle Wunden“ heißt es. Oft genug habe ich beobachtet, dass dies auch in diesem Bereich zutrifft. Das heißt nicht, dass wir oder unsere Tochter, unser Sohn nicht auch Hilfe in Anspruch nehmen können, wenn die Verletzungen zu tief sind. Aber in jedem von uns stecken enorme Selbstheilungskräfte, die uns helfen, zu gesunden. In dieser Zeit braucht es zeitweise feine Fühler, um die Interessen und Bedürfnisse der eigenen Töchter und Söhne zu erspüren, um sie dabei zu unterstützen, diese zu verwirklichen. Wird dies von den Eltern nicht als Pflichterfüllung aufgefasst, können sie dabei für sich selbst auch Vorteile aus der Situation ziehen und Begeisterung für unbekannte oder vernachlässigte Bildungsthemen finden. Auch kann es großen Spaß machen und die Beziehung fördern, Themen gemeinsam zu erkunden oder gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden. Manche jungen Menschen empfinden jegliche Vorschläge vonseiten der Eltern als Einmischung. Dann kann es heißen, sich selbst in Geduld zu üben und diese ihrem eigenen Prozess zu überlassen. Langeweile, lang genug ausgehalten, führt meiner Erfahrung nach auch zu neuen Ideen.

Wenn die Situation eine Therapie erfordert, dann braucht es verständnisvolle Therapeut*innen, die auch über den schulischen Kontext hinausblicken können. Normalerweise ist im Kontext von Schulverweigerung aus therapeutischer Sicht die Wiedereinschulung notwendig und eines der Haupttherapieziele. Daher kann es eine Weile dauern, bis Eltern therapeutische Unterstützung finden, die nicht diesen Weg als notwendig ansieht, sondern mit dem Kind oder Jugendlichen daran arbeitet, die aufgebauten Ängste, Traumatisierungen und Blockaden zu überwinden.

Vertrauen schaffen

Wenn junge Menschen einen langen schulischen Leidensweg hinter sich haben, bis die Eltern sich entschieden haben, sie auf dem Bildungsweg ohne Schule zu unterstützen, kann es sein, dass bei den jungen Menschen viel Vertrauen zu ihren Eltern verloren gegangen ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dies erst wieder aufgebaut werden muss.

Einer meiner Söhne ist über Jahre hinweg gemobbt worden. Wir haben alle möglichen Dinge unternommen, um ihm dabei zu helfen, mit dieser Situation klar zu kommen. Die Idee, dass er sich ohne Schule bilden kann, kam uns lange Zeit nicht. Vorher sind wir gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass Bildung ohne Schule überhaupt eine Möglichkeit sein könnte. In der Schulzeit (vor allem auch vor dem Ausstieg) war ich häufig überfordert und habe dadurch sehr unterschiedliche und widersprüchliche Botschaften ausgesandt. Sätze wie „Ich will meine Ruhe haben! Mach doch einfach, was die Lehrer sagen! Verhalte dich so unauffällig wie möglich!“ führen leider dazu, dass sich das eigene Kind allein gelassen fühlt. Wenn dann zwischenrein wieder unterstützende Botschaften kommen, dann führt dies beim jungen Menschen zu großer Verunsicherung. Eine solche Verunsicherung kann beim Kind oder Jugendlichen zu einem für Eltern herausfordernden Verhalten führen, auch zu einer herausfordernden Deschoolingphase für beide – Eltern und Kinder. Es braucht Zeit, bis der Sohn, die Tochter wieder Vertrauen fasst und den Eltern gegenüber Offenheit zeigen kann. Meiner Erfahrung und Beobachtung nach ist es hier hilfreich, als Mutter, Vater oder andere Bezugsperson mit dem Vertrauen eine Art Rahmen bereit zu stellen oder zu halten.

Zuhören

Es ist einfach, zu sagen, dass Vertrauen in den jungen Menschen das Wichtigste für ihn und den Bildungsprozess ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es nicht immer einfach ist, dieses Vertrauen zu halten. Es macht Angst (auch wenn diese vielleicht erstmal nur als Wut oder Ärger gespürt wird), wenn der junge Mensch erst nachmittags aus dem Bett kommt und dann sogleich vor dem Computer verschwindet und womöglich jedes Gespräch vermeidet. Wenn durch ein solches Verhalten des Kindes Ärger zu spüren ist, dann passiert es schnell, dass dieser sich unangemessen äußert.

Ich habe es als verbindend erlebt, Ärger, Wut oder Angst meinen Kindern gegenüber auszudrücken und mit ihnen dann ins Gespräch zu kommen. Dies führt zum Zuhören. Die Angst zu nutzen, um ins Gespräch zu kommen, setzt allerdings voraus, unsere Ängste und Befürchtungen zu hinterfragen. Welches Verhalten löst die Angst aus? Ist diese Angst begründet? Junge Menschen haben feine Fühler und spüren diese Angst und kämpfen, wenn diese nicht ausgesprochen wird, zum Teil auch dagegen an.

Daher kann das Aussprechen der eigenen Angst dazu führen, dass die jungen Menschen schildern, wie es ihnen geht und wie sie es erleben. Ich bin da oft auf große Klarheit bei meinen Kindern gestoßen, und konnte so die Angst wieder ablegen. Falls es Konflikte oder Probleme gibt, können dann auch alle gemeinsam schauen, wie mit dieser Situation umzugehen ist. In der Regel finden sich Lösungen, mit der alle zufrieden sind.

Bildung zu Hause – für Anfänger Teil 2

von Karen Kern

Selbstbestimmte und selbstorganisierte Bildung

Selbstbestimmte und selbstorganisierte Bildung bei jungen Menschen findet größtenteils informell, also ungeplant, im Alltag fast nebenher statt, in Gesprächen, beim Spielen, Fernsehen, Computerspielen, Einkaufen, Spazieren gehen, Kochen, auf Reisen, Freunde besuchen, ins Museum gehen, Vorlesen und bei vielen anderen Tätigkeiten und Situationen. Bei jüngeren Kindern, die im Alltag noch eng an die sie begleitenden Erwachsenen gebunden sind, bekommen die Eltern (oder die anderen Begleiter*innen) noch viel mit, was die Kinder täglich erleben, bei den älteren dann meist nicht mehr so viel.

In der Fachliteratur wird das Lernen mit einem Eisberg verglichen: der sichtbare Teil über der Wasseroberfläche entspricht dem formalen Lernen (geplante institutionelle Bildung), der unsichtbare unter der Wasseroberfläche dem informellen Lernen. In meinen Augen verhält es sich ähnlich mit der Wahrnehmung des Lernens bei jungen Menschen, die selbstbestimmt und selbstorganisiert lernen. Es wird außerdem angenommen, dass insgesamt mindestens 70% des Lernens informell stattfindet, manche Autor*innen bzw. Wissenschaftler*innen nehmen an, dass es sogar 90 % sein können.[1] Über Jahrtausende hinweg war das informelle Lernen die Form des Lernens der Menschen. Erst seit Einführung der Schulpflicht (in einigen Teilen Deutschland schon im 15. und 16. Jahrhundert) hat eine Änderung begonnen und heute wird in den industrialisierten Gesellschaften meist ohne Nachdenken Lernen mit schulischem Lernen gleichgesetzt.

Junge Menschen, die sich weigern weiterhin in der Schule zu lernen, geben als Gründe für ihre Weigerung häufig an, dass sie nicht in dem ihnen aufgezwungenen Takt und die ihnen aufgezwungenen Themen lernen wollen. Sie wollen ihre Bildung zumindest mitbestimmen. Wenn der Wechsel dann stattgefunden hat und sie von zu Hause aus lernen, dann wollen diese jungen Menschen häufig nicht mit Schulmaterialien lernen und lehnen oft auch die schulischen Fächer und deren Inhalte ab. Letzteres ist bei jungen Menschen, die nie in der Schule gelernt haben, selten der Fall.

Fangen junge Menschen nach einer mehr oder weniger langen Schulzeit an, zu Hause zu lernen, haben wir die Erfahrung gemacht, dass sie eine Phase der „Entschulung“ brauchen, bis sie wieder wissen, was sie interessiert und was sie machen wollen. Diese Zeit kann ein paar Wochen dauern, mehrere Monate und in wenigen Fällen auch mehrere Jahre.

Unsere Erfahrung ist ebenfalls, dass Schule zu Hause in der Regel nicht oder nur für kurze Zeit funktioniert. Das kann für Eltern, die Lernen nach Plan bevorzugen, heißen, sich von dieser Vorstellung eventuell sogar recht bald zu verabschieden. Wenn geplantes Lernen für die Kinder in Ordnung ist, dann braucht es auch keine Änderung.

Alan Thomas hat in seiner ersten Studie „Bildung zu Hause – eine sinnvolle Alternative“ herausgefunden, dass in den meisten Fällen ein allmählicher Wechsel vom fremdbestimmten vorgeplanten strukturierten Lernen zu flexiblerer spontanerer unstrukturierterer Bildung stattfindet. Er schreibt, dass viele Eltern, wenn sie in Lehr- oder Lernsituation ihren Kindern gegenübersitzen, an den glasigen Augen ihrer Kinder gemerkt haben, dass es nicht sinnvoll möglich war, schulisch geplant und strukturiert weiterzumachen. Von den untersuchten Familien haben viele mit einer Art Homeschooling angefangen, ihren Kindern dann aber mehr Freiheit im Lernen gelassen, als sie gemerkt haben, dass das für ihre Familie nicht funktioniert hat.

Strukturiertes Lernen in schulischen Fachbereichen

Haben Eltern große Angst davor, dass ihre Kinder auf informellem Wege nur wenig oder nichts lernen, dann können Eltern Kompromisse mit ihren Kindern schließen. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten und es ist sinnvoll, gemeinsam zu schauen, was für die Kinder passend ist und womit sich diese ohne Druck anfreunden können. Druck auszuüben, ist weder für die Beziehung noch für das Lernen sinnvoll. Hier ein paar Vorschläge:

  • Einmal pro Tag in Mathematik, Deutsch und in der Sekundarstufe I auch in Englisch etwas arbeiten (zeitlich kann hier natürlich variiert werden, es können ebenso gut zwei oder drei Tage pro Woche sein)
  • An einem Tag in der Woche Deutsch, an einem anderen Tag in der Woche Mathematik machen
  • Sachkundliche, naturwissenschaftliche oder gesellschaftswissenschaftliche Themen projektartig lernen und regelmäßig an einem oder zwei solcher Projekte arbeiten

Wichtig ist hier meines Erachtens, mit den Kindern zu klären, für was sie bereit sind, ob sie sich vorstellen können Mathe, Deutsch und Englisch zu machen. Falls sie nicht bereit sind, mit Arbeitsheften zu lernen, findet man immer auch noch andere Möglichkeiten, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Die Lernbegleiter*innen von Kern-Bildung können hier weiterhelfen.

[1] z.B. Fauré Studie der UNESCO von 1972 oder: Günther Dohmen „Das informelle Lernen“ bpb

Bildung zu Hause – für Anfänger Teil 1

Von Karen Kern

Entscheidung vor der Schulzeit

Dein fünfjähriger Sohn sagt schon seit einiger Zeit, dass er nicht zur Schule gehen will. Erst hat dich das irritiert und dir Angst gemacht. Dein Sohn formuliert sehr klar seine Gründe, die du nachvollziehen kannst. Er sagt, dass er nicht in einem Ort wie der Schule lernen will, sondern weiterhin so wie er das zuhause macht. Da du die Meinung deines Sohnes respektierst, fängst du an dich zu dem Thema kundig zu machen. Du bittest ihn aber auch, dass er zum Zeitpunkt der Einschulung die Schule besucht, um zu sehen, ob seine Erwartungen denn auch wirklich zutreffen. Durch deine Recherchen ändert sich deine Vorstellung von Bildung und du kannst dir ein Lernen von zu Hause aus gut vorstellen.

Dann wird dir mein nachfolgender Text womöglich Bestätigung bringen für deine Entscheidung, deinen Sohn zu unterstützen und einen kleinen Ausblick darüber, wie es weitergehen kann mit dem Bildungsprozess.

Entscheidung während der Schulzeit

Deine Tochter ist auf der weiterführenden Schule und ihr geht es dort zunehmend schlechter. Sie wird gemobbt und kann sich aufgrund des Klassenklimas nur schlecht konzentrieren. Nach einigen Monaten sagt sie, dass sie nicht mehr weiter dort hingehen will. Ihr diskutiert das. Deine Tochter äußert sehr klar ihre Gründe. Sie will in diesem Klima des Mobbings nicht mehr leben und sie kann darin auch nicht lernen, weil der ständige Druck durch ihre Mitschüler sie so belasten. Du bzw. ihr als Eltern entscheidet, dass ihr eure Tochter auf diesem Weg unterstützen werdet. Ihr habt zwar ein bisschen im Internet recherchiert, aber ihr könnt euch das Lerngeschehen zuhause noch gar nicht vorstellen. Im weiteren Text findet ihr viele Gedanken zu den ersten Schritten und was auf euch zukommen kann.

Haltung von Kern-Bildung zur Bildung

Wir von Kern-Bildung konzentrieren uns vor allem auf die Begleitung junger Menschen, die sich selbstbestimmt und selbstorganisiert bilden. Daher gehe ich auf diese Art Bildung hier intensiver ein. Menschen, gerade junge Menschen, sind kleine „Lernmaschinen“, sie können gar nicht anders als sich bilden. Das menschliche Gehirn verarbeitet ständig alles, was von außen auf uns einwirkt, seien dies nun Sinneserfahrungen oder philosophische Gedankenwelten, die auf uns einwirken und uns zugetragen werden. Junge Menschen lernen in den ersten sechs Lebensjahren so immens viel wie vermutlich zu keinem anderen entsprechenden Zeitraum im Leben mehr. Sie lernen, ihren Körper zu beherrschen, sich aufrecht zu bewegen, in einer oder eventuell sogar mehreren Sprachen zu kommunizieren, sich anzupassen, zu entscheiden, was richtig und was falsch ist, sich mit anderen auseinander zu setzen und noch vieles andere mehr.

Besuchen junge Menschen nie eine Schule, dann geht der Lernprozess im Schulalter so weiter, wie die meisten Eltern ihn aus der Zeit vor der Schule kennen. Meist beschäftigen sie sich mit einem oder ein paar Themen vertiefend, andere streifen sie oder diese sind für kurze Zeit interessant. Fertigkeiten wie z.B. Lesen, Schreiben oder Rechnen werden selten in einem stetigen Prozess gelernt, sondern eher zyklisch. Mal beschäftigen sie sich für ein, zwei Wochen nur mit diesem Thema und dann bleibt es wochenlang oder sogar monatelang liegen. Wenn sie es dann wieder aufgreifen, dann ist oft zu beobachten, dass sie Dinge können, die vorher noch gar nicht da waren. Meist bilden sich bis zum Alter von 10 – 12 Jahren bei den jungen Menschen bestimmte Themen oder Vorlieben heraus, die sie regelmäßig verfolgen, z.B. das Spielen eines Instruments, das Schreiben von Geschichten, Mathematik, Astronomie, Technik, Handarbeiten, Kochen, Werken, Informatik, etc.

Egal wie alt die jungen Menschen sind, wichtig ist meines Erachtens, dass sie in ihrem Lernen begleitet werden, ihre Fragen beantwortet werden und sie dabei unterstützt werden, neue Themen und Fertigkeiten zu erschließen: z.B. ihnen dann Materialien bereitzustellen oder vorzuschlagen, ihre Fragen zu beantworten, Gespräche mit ihnen zu führen, ihnen vorzulesen, u.v.m.

Der Alltag kann bei den einzelnen jungen Menschen sehr unterschiedlich aussehen und ebenfalls von Familie zu Familie variieren. Natürlich ist die Intensität der Begleitung in den verschiedenen Altersstufen unterschiedlich und ändert sich auch in der Art und Weise mit zunehmendem Alter.

Die Erfahrung zeigt, dass junge Menschen selbstbestimmt und selbstorganisiert alles lernen, was sie zum Leben brauchen und zum gegebenen Zeitpunkt auch fähig sind, eine Abschlussprüfung mit einer angemessenen Vorbereitung gut zu bestehen.

Unterschiedliche Ausgangssituationen für Eltern

Wenn junge Menschen sich nach einem zeitweisen Schulbesuch entscheiden, sich nicht mehr weiter in der Schule zu bilden, haben die meisten Eltern kaum eine Vorstellung davon, wie die Bildung zu Hause aussehen wird. Nachdem in unserer Gesellschaft Bildung mit Schulunterricht gleichgesetzt wird, denken auch viele Eltern, dass die Bildung zu Hause im Rahmen der schulischen Fächer mit Schulbüchern und Arbeitsheften stattfindet. Das oft als „Homeschooling“ bezeichnete schulisch begleitete Lernen zu Hause in Coronazeiten fördert diese Sichtweise auch noch.

Eltern, die sich schon vor dem Einschulungsalter ihrer Kinder mit dem Thema „Bildung zu Hause“ beschäftigt haben, haben meist eine genauere Vorstellung davon, wie diese aussehen soll und haben in der Regel auch Präferenzen. Unterschiede gibt es nicht nur hinsichtlich der Bezeichnung: Einige möchten „Homeschooling“ praktizieren, andere wollen auf jeden Fall ihren Kindern „Freilernen“ ermöglichen. Keiner dieser Begriffe ist wirklich klar definiert, und meiner Erfahrung nach kann die Vorstellung davon, was man darunter versteht, sehr unterschiedlich sein. „Homeschooling“ wird hier in Deutschland oft als von den Eltern (oder der Schule) strukturierter und vorgeplanter „Schulunterricht zu Hause“ verstanden, in den USA wird er allerdings oft als Überbegriff für alle Arten der Bildung zu Hause verwendet. Auch der Begriff „Freilernen“ wird meiner Erfahrung nach sehr unterschiedlich verstanden. Daher bevorzuge ich die Bezeichnung „selbstbestimmte und selbstorganisierte Bildung“ – weitgehend vom jungen Menschen selbst bestimmt und von der Familie selbst organisiert.

Bildung ohne Schulbesuch – brauchen junge Menschen diese Möglichkeit in Deutschland?

von Karen Kern

Schulbesuchspflicht oder Bildungspflicht

In Deutschland gibt es in allen Bundesländern eine praktisch ausnahmslose Schulbesuchspflicht. Alle jungen Menschen im Alter zwischen 6 und in der Regel 18 Jahren (in manchen Bundesländern auch noch darüber hinaus) müssen eine Präsenz-Schule besuchen. Ausnahmen werden in Deutschland nur selten akzeptiert. Die Gesetzeslage in den deutschen Bundesländern steht im Gegensatz zu der in vielen anderen Ländern. In den europäischen Ländern wie z.B. Österreich, Großbritannien, Irland, Portugal, Frankreich, Belgien, u.a. gibt es ganz unterschiedliche Regelungen. Teilweise werden Ausnahmen zugelassen, in einigen Ländern besteht eine Bildungspflicht, in wenigen eine Unterrichtspflicht, in anderen gibt es ein ausdrückliches Recht auf selbstorganisierte Bildung von zu Hause aus.

Geschichte der Schulpflicht in Deutschland

In Deutschland stellen nur wenige die Schulbesuchspflicht in Frage. Grundsätzliche Zweifel daran kommen den meisten Menschen, gerade auch Eltern, gar nicht in den Sinn, obwohl sich viele junge Menschen in der Schule in einer Situation befinden, an der sie selbst und ihre Eltern zumindest zeitweise verzweifeln. Vermutlich ist diese Überzeugung entstanden, weil in einzelnen deutschen Landesteilen schon sehr früh eine Schulpflicht eingeführt wurde. Die Anfänge gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken führte die allgemeine Schulpflicht als erstes 1592 ein. Viele andere Länder folgten über die nächsten Jahrhunderte hinweg, wobei es sich meistens eher um eine Unterrichtspflicht handelte. Mit der Weimarer Verfassung wurde dann ab 1919 für ganz Deutschland eine allgemeine Schulpflicht im Sinne einer Schulbesuchspflicht festgelegt wurde. In der Zeit der Weimarer Republik waren allerdings noch Ausnahmen möglich. 1938 wurde im Reichpflichtschulgesetz festgeschrieben, dass Kinder und Jugendliche, welche die Schulpflicht nicht erfüllen, der Schule zwangsweise zugeführt werden – notfalls auch mit Hilfe der Polizei. Die Möglichkeit zu einem solchen Schulzwang findet man auch jetzt noch oder wieder in den Schulgesetzen der deutschen Bundesländer. Wir haben also in Deutschland eine lange Geschichte mit Schule und Schulpflicht, die Schulbesuchspflicht ist in den gesellschaftlichen Konventionen fest verankert. In meinen Gesprächen in den letzten Jahren wurde mir klar, dass von vielen Menschen Bildung mit Schule gleichgesetzt wird. Die Bürger*innen, Politiker*innen, Behördenvertreter*innen aber auch Eltern wie Kinder können sich unter Bildung gar nichts anderes mehr vorstellen. Meist wird Bildung unterteilt in den grundlegenden, wichtigen, wesentlichen Teil, der in der Schule stattfindet und in den anderen Teil, der meist nur als Spielerei angesehen wird und in der Freizeit stattfindet.

„Ich will nicht mehr zur Schule gehen!“ – Gründe unserer Söhne

Auch wir als Eltern und auch als Lehrer*innen haben über Jahre hinweg die Schulbesuchspflicht nicht angezweifelt und uns Bildung ohne Schule zunächst auch nicht vorstellen können. Wir haben allerdings über einen längeren Zeitraum hinweg die Haltung unseren Töchtern und Söhnen gegenüber geändert und zu einem partnerschaftlichen Umgang gefunden. Dies hieß, dass wir zunehmend die Entscheidungen unserer Töchter und Söhne zu ihren eigenen Angelegenheiten akzeptierten, und bei gemeinsamen Entscheidungen diese auch gemeinsam trafen. Daher hat uns das Thema „Bildung ohne Schule“ irgendwie ganz plötzlich getroffen, als zwei unserer Söhne mit 11 und 14 Jahren gesagt haben, dass sie künftig ohne Schule lernen wollen. Die Gründe waren unterschiedlich, aber für uns Eltern sehr wohl nachvollziehbar. Und wir hatten den Eindruck, wenn wir unsere Söhne nicht in dieser Entscheidung unterstützen, dann würde dies auch unsere Beziehung gefährden. Einer unserer Söhne wurde jahrelang gemobbt. Wir haben intensiv versucht, innerhalb des Systems etwas zu machen, um seine Situation zu verbessern. Regelmäßige Gespräche mit Lehrkräften und Schulleitungen, regelmäßige Besuche und Gespräche bei der schulpsychologischen Beratungsstelle, zwei Schulwechsel, eine mehrwöchige sozialpsychologische Kurz, u.a. haben die Situation unseres Sohnes leider nicht verbessert. Die Gespräche mit den Lehrkräften und den Schulleitungen der staatlichen Schulen waren eher demotivierend. Entweder haben die Lehrkräfte und Schulleitungen geleugnet, dass Mobbing stattfindet, bzw. sie haben es nicht bemerkt, oder es wurde uns gesagt „Ihr Sohn macht doch auch was!“. Seine Klassenlehrerin an der letzten Schule, einer Waldorfschule, hat sich allerdings stark für eine Änderung der Situation eingesetzt. Sie hat z.B. ein Anti-Mobbing Programm eingeleitet. Allerdings war die Situation schon so stark fortgeschritten, dass auch unser Sohn auffällige Verhaltensweisen entwickelt hatte, die seine Mitschüler dazu animiert haben, ihn weiterhin zu mobben. Unser jüngerer Sohn hatte schon zu Beginn der ersten Klasse gesagt, dass er nicht mehr in die Schule gehen will. Nach einer Spieltherapie ist er dann ein halbes Jahr später doch zur Schule gegangen. Er hat seitdem immer wieder gesagt, dass er ohne Schule besser lernen würde. In der 6. Klasse kam Verschiedenes zusammen. Er wollte nicht weiter in einem Klima lernen, in dem für die unterschiedlichen Altersgruppen so unterschiedliche Regeln herrschten wie für Schüler*innen und Lehrer*innen, wie z.B. dass Schüler*innen für das Zuspätkommen bestraft werden, Lehrkräfte aber nicht. Außerdem war seine Mathelehrerin krank und die Klasse hatte über mehrere Monate hinweg ständig andere Vertretungslehrkräfte. Der Lehrer, den sie dann in Klassenstufe 6 bekamen, hat sich den Schüler*innen gegenüber ständig ungerecht verhalten. Nachdem er die gesamte Klasse für etwas bestrafte, was diese gar nicht getan hatte, wollte unser Sohn dies nicht mehr weiter mitmachen. Er sagte auch, dass er seine Bildung lieber selbst in die Hand nehmen will, anstatt weiter Unterricht zu haben.

Nicht nur unsere Söhne!

So wie unseren Söhnen geht es auch heute noch vielen jungen Menschen. Sicher würden nicht alle dieser jungen Menschen einen Bildungsweg ohne Schule gehen wollen. Und auch viele Eltern hätten entweder nicht die Kapazität, oder würden sich mit der Situation überfordert fühlen. Dennoch sollte es für junge Menschen die Möglichkeit geben, sich ohne Schule bilden zu können, wenn die Situation in der Schule für sie nicht stimmig ist oder sogar ihr körperliches und/oder psychisches Wohl gefährdet. Für viele würde es wahrscheinlich ausreichen, wenn sie sich für mehrere Wochen, oder ein paar Monate oder ein, zwei Jahre ohne Schule bilden könnten. Wäre so etwas selbstverständlich, dann wäre es auch nicht mehr mit dem Stigma Schulverweigerung oder Schulangst/Schulphobie und der entsprechenden Pathologisierung verbunden, mit denen junge Menschen, die sich selbstorganisiert bilden, fast automatisch versehen werden. Dann wäre die selbstorganisierte Bildung ein ganz normaler Bildungsweg.

Recht auf Selbstbestimmung bei der eigenen Bildung

Für mich ist allerdings wichtig, dass es nicht um eine paternalistische Maßnahme in besonderen Situationen geht, sondern um das Recht der jungen Menschen auf Mitbestimmung und Selbstbestimmung. D.h., dass nicht nur Ausnahmen genehmigt werden, z.B. für junge Menschen, denen es schlecht in der Schule geht, sondern dass junge Menschen das Recht zugesprochen bekommen, sich auch auf einem anderen Weg zu bilden als nur in der Schule, wenn sie sich selbst dafür entscheiden. Unsere Gesellschaft spricht jungen Menschen die Urteilsfähigkeit ab, solch weitreichende Entscheidungen zu treffen. Meine Erfahrung ist, dass junge Menschen sehr wohl hierzu fähig sind, vor allem wenn ihnen dies von den sie begleitenden Erwachsenen zugetraut wird. Ich habe erlebt, dass auch schon Fünfjährige oder sogar jüngere Menschen sehr klare und weise Entscheidungen treffen, wenn sie von Anfang ihres Lebens an ernst genommen werden. Natürlich sollte nach einer solchen Entscheidung klar sein, dass für eine Umgebung und Begleitung gesorgt ist, die es den jungen Menschen ermöglicht, sich zu bilden.

Belehrung ist nicht notwendig

Ich gebe zu, dass es mich zuweilen ungeduldig macht, diese Diskrepanz auszuhalten zwischen meiner Haltung, den jungen Menschen ernst zu nehmen, Vertrauen in seine Lernfähigkeit zu haben und seine Entscheidungen zu respektieren und der Haltung vor allem von Politiker*innen und Behördenvertreter*innen, dass der junge Mensch unmündig sei, sich auch dementsprechend verhalte und belehrt werden müsse.

Meine Kinder haben mir schon gezeigt, wie immens lernwillig und lernfähig sie sind, wie schnell und zum Teil tiefgehend sie sich etwas aneignen, wenn es sie interessiert, und wie kreativ sie mit Herausforderungen umgehen. Die jungen Menschen, die ich und meine Kolleginnen betreuen, zeigen mir dies ebenso wie meine vier Enkel, die in jeder Hinsicht die reinsten Kraftbündel sind, deren Kreativität und Neugier so überbordend ist, dass es die Eltern und uns Großeltern häufig überfordert. Bei meinen Enkeln beobachte ich wieder, wie diese Entwicklung von sich aus geschieht, wie die im Menschen angelegte Lernfähigkeit sich mit unermüdlichem Drang umsetzt – wie in den ersten sechs Jahren fast alles von selbst entwickelt wird, wie z.B. krabbeln, laufen, stehen, gehen, sprechen. Wie in der Interaktion mit anderen Menschen, jungen wie alten, die verschiedenen Konzepte über unsere Welt entstehen und das soziale Miteinander praktiziert und geübt wird. „Warum sollen Kinder ab dem Alter von 6 Jahren nicht so weiterlernen?“ So oder ähnlich hat das Alan Thomas, ein von mir geschätzter, mittlerweile emeritierter Psychologieprofessor der University of London gesagt, der umfangreiche Studien zur Bildung zu Hause durchgeführt hat, unter anderem zu informeller Bildung.

Forderung nach Öffnung unseres Bildungssystems

Wieder zurück zu meiner Frage „Muss Bildung ohne Schulbesuch für jungen Menschen in Deutschland möglich sein?“ Ja, es sollte schon lange möglich sein, dass sowohl junge Menschen selbst als auch ihre Eltern zusätzlich zum schulischen Bildungsweg einen Bildungsweg ohne Schule wählen können. Junge Menschen muss die Möglichkeit zugestanden werden, selbstbestimmt und selbstorganisiert zu lernen. Ebenso sollte ihnen ein Weg ohne Schule zur Verfügung stehen, wenn der von ihnen eingeschlagene schulische Weg sie krank macht. Denn sonst wandern Familien ins Ausland ab oder werden stigmatisiert. Obwohl sie sich für ihr Kind einsetzen, bekommen sie eventuell noch das Sorgerecht entzogen.

Forderung nach Öffnung unseres Bildungssystems

Wieder zurück zu meiner Frage „Muss Bildung ohne Schulbesuch für jungen Menschen in Deutschland möglich sein?“ Ja, es sollte schon lange möglich sein, dass sowohl junge Menschen selbst als auch ihre Eltern zusätzlich zum schulischen Bildungsweg einen Bildungsweg ohne Schule wählen können. Junge Menschen muss die Möglichkeit zugestanden werden, selbstbestimmt und selbstorganisiert zu lernen. Ebenso sollte ihnen ein Weg ohne Schule zur Verfügung stehen, wenn der von ihnen eingeschlagene schulische Weg sie krank macht. Denn sonst wandern Familien ins Ausland ab oder werden stigmatisiert. Obwohl sie sich für ihr Kind einsetzen, bekommen sie eventuell noch das Sorgerecht entzogen.

Mehr zur juristischen Betrachtung des Themas findet ihr im Podcast „Bildung mal anders“ in dem der Rechtsanwalt Jost von Wistinghausen interviewt wird.

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Abschlüsse ohne Schulbesuch – Bonus Interview mit Tashi

Hier noch ein kurzer Bonus-Podacst, ein Interview mit Tashi, der 2024 die Realschulprüfung als Schulfremder abgelegt hat. Er erzählt darüber, welche Materialien für ihn am besten waren und welche Methoden er für sich gefunden hat.

 

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Abschlüsse ohne Schulbesuch – Interview mit Carla

Auch wenn die Prüflinge zum Teil von ähnlichen Erfahrung erzählen, hat jede*r von ihnen etwas ganz eigenes zu erzählen und jedes Interview ist aufs Neue spannend. Carla erzählt über ihre Planung, die sie im Laufe der Zeit geändert und an ihre Bedürfnisse angepasst hat und über die ganzen anderen Aspekte ihres Lernens und der Prüfungen.
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SCHRIFTLICHES INTERVIEW MIT CARLA

Bundesland: Brandenburg

Welchen Abschluss hast du angestrebt und in welchem Bundesland? Wann hast du die Prüfung gemacht?

Ich wollte das Abitur machen und hatte die Prüfung 2024 in Brandenburg.

Motivation für die Prüfung

Warum hast du dich entschieden, eine externe Abschlussprüfung zu machen?

Nach der 10. Klasse wollte ich gerne das Abitur in 2 Jahren machen, hätte aber, da ich nicht auf einem Gymnasium war, es in 3 Jahren machen müssen. Über ein paar Ecken habe ich von Kern-Bildung erfahren. Dass ich auch zuhause gut lernen kann wusste ich vom Homeschooling, das wir wegen Corona hatten. Auch den Stoff in zwei statt in drei Jahren zu lernen habe ich mir zugetraut. Hinzu kam ein langer Schulweg den ich gehabt hätte.

Herangehensweise, Planung und Lernzeiten

Wie bist du an die Prüfungsvorbereitung herangegangen, bis du wusstest, wie dein Lernalltag aussieht?

Von Kern-Bildung wusste ich, was ich alles für die einzelnen Fächer bis zur Prüfung können muss. In den ersten Monaten habe ich mir jeden Tag immer neu überlegt, was ich jetzt machen möchte. Ich habe mir also ein Fach genommen und mir eins der aufgelisteten Themen rausgesucht. Ich hatte aber nachdem ich das eine Zeit lang so gemacht habe das Gefühl, nicht für alle Fächer gleichmäßig viel zu lernen sondern einige Fächer mehr zu machen als andere und hatte Sorge, bis zu der Prüfung, die ich 2024 machen wollte, nicht alle Themen abgearbeitet zu haben. Auch fiel es mit manchmal schwer, mich morgens für ein Schulfach zu entscheiden, wodurch es etwas gedauert hat, bis ich mit dem Lernen begann. Nach etwa einem halben Jahr habe ich alle Themen der einzelnen Fächer auf die Wochen und Monate die ich noch bis zu dem Prüfungsdatum hatte aufgeteilt. Dafür habe ich mir einen großen Kalender genommen und alle Themen auf kleine Klebezettel geschrieben, jedes Fach eine andere Farbe, und sie auf die Wochen aufgeteilt. Je nachdem wie viele Themen es pro Fach gab kam für jedes Fach etwa alle ein bis 3 Wochen ein neues Thema. Ich habe Ferien und einige Wochen vor dem Prüfungszeitraum zum Wiederholen (oder Aufholen falls ich nicht alles schaffe) freigelassen, was auch von Kern-Bildung empfohlen wurde.

Im Kalender hatte ich die Themen nach Wochen aufgeteilt. Zu Beginn jeder Woche habe ich mir (zumindest meistens) nochmal einen groben Plan für die Woche gemacht, der dann wie eine to-do-Liste war, die ich abhaken konnte. Mit dem Plan fiel es mir leichter morgens anzufangen, weil ich wusste was zu tun war. Ich habe pro Tag meistens 2 Fächer bearbeitet und jedes Fach in der Woche mindestens einmal. Mein Wochenplan sah nicht so aus, dass ich das Fach XY an diesem Tag eine festgelegte Zeit mache, sondern ich hatte aufgeschrieben welches Thema ich bearbeiten möchte und je nach dem konnte das schon nach 15 Minuten fertig sein oder mehrere Stunden über 2 Tage verteilt dauern.

Wie lange hast du dir für die Vorbereitung Zeit genommen?

Ich habe mich circa eineinhalb Jahre vorbereitet. Nach der 10. Klasse habe ich nach den Sommerferien ungefähr im September angefangen und hatte zwei Jahre später im Frühling die Prüfungen.

Wie lange hast du täglich gelernt? Hat sich der Zeitaufwand während der Vorbereitungszeit geändert?

Ich habe normalerweise von Montags bis Freitags Schule gemacht. In den ersten Wochen war es noch nicht so lang. Nachdem ich mir den Plan gemacht hatte ist es mehr geworden, da ich jeden Tag ein festgelegtes Ziel hatte das ich schaffen wollte. Durchschnittlich habe ich 4h am Tag gelernt (ich habe den größten Teil der Zeit aufgeschrieben wie lang ich jeden Tag gelernt habe und den Durchschnitt der Woche ausgerechnet, also ist die Zeit nicht geschätzt)

Lernprozess

Welche Materialien hat du genutzt? Schulbücher, Trainingsbände und Lektürehilfen, Sammlungen von Prüfungsarbeiten, Internettexte, Internetvideos, …?

Ich hatte für jedes Fach ein Schulbuch. Dort gibt es zu den Texten auch Übungsaufgaben. Für Mathe hatte ich auch das dazugehörige Lösungsheft und in den Fremdsprachen später auch noch Vokabelhefte, falls das Schulbuch keinen Vokabelteil hatte. Ansonsten habe ich das Internet benutzt falls es ein Thema im Schulbuch nicht gab oder ich es nicht verstanden habe. Es gibt einige Seiten oder auch Kanäle auf youtube die sich extra an Schüler richten wo der Schulstoff sehr gut und anschaulich erklärt ist (studysmarter.de, MrWissen2go Geschichte, simpleclub, …). Für die Fremdsprachen habe ich auch Duolingo (eine App zum Sprachen lernen), für Englisch learnenglishteens.britishcouncil.org, wo man zwischen verschiedenen Schwierigkeitsstufen und Aufgabenarten (z.B. Lesen, Hören, …) wählen kann, oder für Französisch Videos von Arte (z.B. Karambolage), die es in zwei Sprachen und mit Untertiteln gibt, genutzt. Als die Prüfung näher kam, habe ich von Kern-Bildung viele Beispielprüfungsaufgaben oder ehemalige Abiturprüfungen bekommen (teilweise findet man auch welche im Internet) und mit ihnen geübt.

Dazu hatte ich in den Wochen vor den Prüfungen mehreren Videokonferenzen mit anderen die sich auch auf die Abiturprüfung vorbereiten um für die mündlichen Prüfungen in den Fremdsprachen zu üben.

Welche Materialien waren besonders hilfreich?

Siehe oben. (Ich habe nur Materialien benutzt, die auch hilfreich waren.)

Warst du zufrieden mit deiner Vorbereitung?

Größtenteils ja. Manchmal war es schwer, sich zu motivieren, aber wenn man einmal angefangen hat, war es meistens auch interessant und es war auch schön, wenn man ein Thema abgeschlossen hatte. Ich glaube, ein paar Themen habe ich länger und intensiver bearbeitet als es nötig gewesen wäre, wodurch ich für anderes weniger Zeit hatte. Ich habe nicht vier fünf Stunden am Stück an Beispielprüfungen geschrieben um die Prüfungssituation einmal genau durchzuspielen. Das hätte ich im Nachhinein lieber machen sollen, um mit der vorgegebenen Bearbeitungszeit besser umgehen zu können. Ich habe es am Ende auch nicht ganz 100%ig geschafft, genau nach meinem Plan zu lernen. Ein Thema für Mathe hatte ich wenige Wochen vor der Prüfung angefangen zu lernen. Es zu verstehen war für mich komplizierter als gedacht, wodurch es mehr Zeit in Anspruch genommen hat als ich dafür eigentlich vorgesehen hatte. Aber an sich habe ich von den Themen im Lehrplan so gut wie alle geschafft zu bearbeiten.

Hattest du den Eindruck, dass du in allen Fächern genügend vorbereitet warst?

Siehe oben.

Größtenteils ja. In den Prüfungen könnte jedes Thema abgefragt werden, das im Lehrplan stand. Man kann nicht alles auswendig lernen. Es gibt teilweise Wahlaufgaben und man kann hoffen, dass Themen dabei sind, die man gut kann. Für die mündlichen Prüfungen, für die die Lehrer selbst Aufgaben erstellen, können sie das Thema auch eingrenzen, aber das hängt sehr vom Lehrer ab.

Begleitung durch Kern-Bildung

Wie häufig hattest du Kontakt zu deiner Lernbegleiterin? Was habt ihr in dieser Zeit gemacht?

Wir haben uns meistens einmal pro Woche in einer Videokonferenz getroffen. Sie hat gefragt was ich gemacht habe und ich konnte Fragen stellen. Auch an den anderen Tagen habe ich ihr manchmal von mir bearbeitete Aufgaben zur Kontrolle geschickt. Entweder wurde schriftlich geantwortet oder wir haben in der nächsten Videokonferenz darüber geredet. Bei Fragen konnte ich auch jederzeit schreiben, mitunter auch an jemand anderen von Kern-Bildung, je nachdem, um welches Fach es ging.

Was war für dich besonders wichtig und besonders hilfreich bei der Begleitung?

Es war gut, dass man jemanden hatte den man fragen konnte, wenn man mit Schulbüchern und Internet nicht weiterkam (zumindest in den allermeisten Fächern). Auch Tipps zur Planung, zu Lernmaterialien und die Bereitstellung der prüfungsrelevanten Themen waren hilfreich. Besonders gut fand ich die Möglichkeit zum Kontakt zu anderen Schülern, die sich ebenfalls selbstständig auf eine Schulabschlussprüfung vorbereiten/vorbereitet haben. Beispielsweise haben einige von denen, die ihre Prüfungen bereits geschrieben haben, von ihrer Vorbereitung erzählt oder ich habe mit anderen, die sich auch auf die Abiturprüfung vorbereiten, in Videokonferenzen für die mündlichen Prüfungen in den Fremdsprachen geübt.

Was hat dir gefehlt und würdest du dir für andere wünschen?

Wenn Schüler vergessen hatten, sich auf eins der Themen für die Prüfung vorzubereiten und die Lernbegleiter wussten, dass dieses Thema für die Prüfung wichtig ist und es nie in den wöchentlichen Treffen vom Schüler erwähnt wurde, würde ich mir wünschen, dass dann einmal kurz die Frage kommt, ob man noch an dieses Thema denkt, da es sehr ärgerlich sein kann, wenn man es versehentlich nicht bearbeitet hat.

Prüfungsschule

Welche Erfahrung hast du mit der Prüfungsschule gemacht? Hast du Unterstützung gehabt, oder das Gegenteil?

Mit der Prüfungsschule und dem Schulamt habe ich gute Erfahrungen gehabt. Der Prüfungsablauf hätte mir von der Schule ein kleines bisschen genauer erklärt werden können. Aber an sich war der Kontakt freundlich, bei der Festlegung der mündlichen Prüfungstermine, die jede Schule selber plant, wurde sogar auf meinen langen Anfahrtsweg Rücksicht genommen. Einige Lehrer waren wirklich sehr nett und unterstützend.

Fazit

Und noch zum Schluss die Frage: Hast du bestanden und mit welchem Ergebnis?

Ja, ich habe bestanden. Die Durchschnittsnote ist 2,1. Aber meine einzelnen Ergebnisse gehen von einer vier bis zu 15 Punkten. Wenn ich in einer Schule gewesen wäre, wären die einzelnen Ergebnisse teilweise vermutlich besser gewesen, da dort für die Abschlussnote, anders als bei der Nichtschüler-/Schulexternenprüfung, nur die eine Abiturprüfung in jedem Fach ausschlaggebend ist, sondern noch mehr Noten aus dem Schuljahr zählen.

Was rätst du anderen für die Prüfungsvorbereitung.

Mir hat ein Plan mit der Aufteilung der Themen auf die verbleibenden Wochen sehr geholfen, da ich mir damit sicher sein konnte, alle prüfungsrelevanten Themen bis zur Prüfung gemacht zu haben. Aber das muss jeder selber schauen was am besten passt, vielleicht möchte man auch lieber projektartig lernen und ein Thema von einem Fach beispielsweise 2 Wochen am Stück bearbeiten. Ich fand gut, dass es Kontakt zu anderen gab, die sich auch selbstständig auf die Prüfung vorbereiten und möchte ermutigen, das zu nutzen, auch wenn es vielleicht Überwindung kostet. Das gleiche gilt auch dafür, bei Fragen den Lernbegleitern zu schreiben.

Abschlüsse ohne Schulbesuch – Interview mit Julian

Im dritten Interview berichtet Julian von seiner Vorbereitung in den verschiedenen Fächern, der Planung und Durchführung und darüber was ihm besonders gefallen hat.
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